Wärmebehandlung von Stahl

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Stahl Härte

Wärmebehandlung von Stahl

Metalle sind aus Kristallen aufgebaut. Die Kristalle bilden ein so genanntes Kristallgefüge, auch kurz „Gefüge“ genannt. Das Gefüge ist maßgebend für die Eigenschaften eines Metalls. Die Wesentlichen, bei der Konstruktion zu berücksichtigen Eigenschaften (neben den Korrosionseigenschaften) sind folgende:

  • Zugfestigkeit: Widerstandsfähigkeit des Werkstoffes gegen Zugbelastung in N/mm²
  • Bruchdehnung: Erfolgte Verlängerung des Werkstoffes nach dem Bruch (in %), bezogen auf die ursprüngliche Werkstofflänge
  • Elastizität: Die elastische Verlängerung und Rückverkürzung eines Werkstoffes auf seine ursprüngliche Länge, meist angegeben in N/mm² bei Erreichen der Streckgrenze.
  • Härte: Der Widerstand eines Werkstoffes gegen das Eindringen eines anderen Körpers (Angaben der Härte in HB, HV oder HRC).

Durch gezieltes Erwärmen (Erhitzen) und Abkühlen kann das Gefüge und damit die mechanischen Eigenschaften des Metalls oder der Metalllegierungen verändert werden. Das Vorhandensein bestimmter Mengenanteile an Kohlenstoff ist eine wesentliche Vorraussetzung für eine „Festigkeitssteigernde“ Wärmebehandlung (Außer der Härtesteigerung durch Kaltverformung, die nicht vom C-Gehalt abhängig ist). Die Höhe und Einwirkzeit der angewendeten Temperaturen – in Abhängigkeit vom Kohlenstoffgehalt – sind ebenso wie die Art und Weise der Abkühlung hauptsächlich Parameter zur Erzielung bestimmter Stahleigenschaften.

Weichglühen

Weichglühen wird unterhalb der GSE-Linie durchgeführt. Dabei wird das streifige Perlitgefüge bzw. der schalenförmige Zementit in eine kugelige Form überführt. Dadurch werden Härtespannungen im Werkstoffgefüge beseitigt. Der Werkstoff erhält zusätzlich eine bessere Verformbarkeit, d.h. die Dehnung wird stark erhöht, während die Zugfestigkeit und Streckgrenze etwas herabgesetzt werden.

Spannungsarmglühen

Entfernung und Ausgleich innerer Werkstoffspannungen, die durch Walzen, Schmieden, Schweißen, Gießen usw. entstanden sind. Diese Spannungen können im Verlauf der späteren Betriebsbeanspruchung die Ursache von Brüchen sein. Die Festigkeit wird beim Spannungsarmglühen nicht reduziert.

Alle Spannungen, die die Streckgrenze eines Stahles übersteigen, rufen bleibende Dehnungen, eine plastische Verformung hervor. Daher kann man die inneren Spannungen in einem Werkstück senken, wenn man die Streckgrenze erniedrigt. Dies ist möglich, indem man den Stahl auf höhere Temperatur bringt, weil dann seine Streckgrenze kleiner wird. So sinkt die Streckgrenze eines Stahles bei etwa 600 °C auf einen Wert von 60 N/mm², d.h. alle vorhandenen inneren Spannungen werden durch ein Glühen bei 600 °C auf den Betrag von 60 N/mm² gesenkt werden.

Das bevorzugte Temperaturgebiet für das Spannungsarmglühen liegt zwischen 550-650°C. Eine Ausnahme bilden aber die austenitischen Stähle. Bei vergüteten Stählen darf die Temperatur die Anlasstemperatur nicht überschreiten, da sonst Festigkeitsminderungen eintreten. Nach dem Spannungsarmglühen muss langsam bis auf eine Temperatur von etwa 200-30°C abgekühlt werden, um das auftreten neuer Spannungen zu vermeiden. Falls ein Spannungsarmglühen bei 550-650°C nicht durchführbar ist, wird ein Glühen bei niedrigeren Temperaturen zu einem merklichen Abbau der Spannungen führen.

Normalglühen

Die Korngröße des Stahles können sehr unterschiedlich sein. Daher spricht man auch von grob- oder feinkörnigen Stählen. Diese Korngrößen ergeben sich schon aus der Erstarrung des Stahles.

Ein feinkörniger Stahl kann nachträglich durch Überhitzung grobkörnig werden. Da dieses grobkörnige Gefüge mit schlechten Zähigkeitseigenschaften verbunden ist, muss also eine Kornverfeinerung durchgeführt werden. Zu diesem Zweck erhitzt man den Stahl auf Temperaturen oberhalb der oberen Umwandlungstemperatur, hält zur Austenitbildung und lässt ihn dann abkühlen. Damit findet eine zweimalige Umkristallisierung statt. Zuerst einmal wandeln sich bei der Erwärmung die Perlit-Kristalle in Austenitkristalle um. Die Austenitkristalle lösen bei steigenden Temperaturen die Ferritkristalle auf, so das zum Schluss nur noch Austenitkristalle vorliegen. Bei der Abkühlung findet dann der umgekehrte Vorgang statt. Aus den Austenitkristallen entstehen Ferrit- und dann Perlitkristalle. Diese zweimalige Umwandlungen führt zur Umwandlung des grobkörnigen in ein feinkörniges Gefüge.

Rekristallisationsglühen

Wird ein Stahl bei Raumtemperatur verformt, so finden unter Einwirkung der aufgebrachten Kräfte Verschiebungen und Gleitvorgänge innerhalb der einzelnen Kristalle statt. Bei starken Verformungsgraden kommt es zu Verhakungen und Verzerrungen, die mit inneren Spannungen verbunden sind und es bilden sich so genannte Gitterstörstellen aus. Dabei nehmen die Härte und Festigkeit zu und in gleichem Maß verringert sich das Verformungsvermögen des Stahles. Es kann bei weiterer Verformung zum Reißen des Stahles führen. Lässt man einen Kaltverformten Stahl längere Zeit bei Raumtemperatur liegen (4-6 Wochen), so ordnen sich die Kristalle an den zerstörten Stellen neu; d.h. es entstehen dort neue Körner. Der Werkstoff verliert seine Sprödigkeit und wird zäh. Derselbe Effekt tritt jedoch schon nach 1 h auf, wenn der Stahl auf 50-250°C erwärmt wird. Man spricht hierbei von der natürlichen und künstlichen Alterung.

Härten

Zur Erzielung maximaler Härte wird ein Stahl aus dem Austenitgebiet so schnell abgeschreckt, dass die kritische Abkühlungsgeschwindigkeit erreicht oder überschritten wird. Als Gefüge tritt dann Martensit auf. Um diesen Zwangslösungszustand zur erreichen, müsste aber eine echte Lösung hergestellt werden. Daher liegt die Ausgangstemperatur (Austenitisierungstemperatur) im Austenitgebiet. Bei der Abkühlung muss die Temperatur so hoch sein, dass die Umwandlung in der Perlitstufe übergangen wird, ansonsten würde sich der Austenit in Perlit umwandeln. Aus Perlit könnte kein Martensit entstehen. Es gibt keine Möglichkeit, im Ferrit mehr Kohlenstoff zu lösen, als wie es seinem max. Lösungsvermögen entspricht.

Die kritische Abkühlungsgeschwindigkeit ist bei den einzelnen Stählen unterschiedlich und hängt von den Legierungsbestandteilen ab. Bei Stählen mit einem Kohlenstoffgehalt zwischen 0,5 – 1,7% ist die Härtebildung am wirksamsten.

Wenn man von Wasserhärtern, Ölhärtern oder Lufthärtern spricht, so kennzeichnet man damit die benutzten Abschreckmittel.

Nach dem Härten erfolgt das Anlassen. Durch dieses nochmalige Anwärmen auf niedrige Temperaturen (200-550°C) wird aus dem „glasharten“ und spröden Martensit ein Gefüge mit einer definierten Härte eingestellt.

Vergüten

Der abgeschreckte tetragonal verspannte Martensit ist im Allgemeinen so hart und spröde, dass in dieser Form nicht verwendet werden kann. Die Verspannung und damit die Härte des Martensits wird durch eine Wärmebehandlung bei Temperaturen unterhalb von Ac1, dem anlassen verringert. Man spricht bei diesem kombinierten Vorgang (Härten + Anlassen) von Vergüten.

Die Eigenschaftsänderungen beim Anlassen beruhen auf der mit der Anlasstemperatur zunehmenden Beweglichkeit der Kohlenstoffatome im Gitter. Es lassen sich im Allgemeinen bei unlegierten und Niedriglegierten Stählen drei Anlassstufen unterscheiden:

  • Anlassstufe 1: Bei Temperaturen von 100-200°C scheiden sich feinst verteilte Eisenkarbide Fe3C (Eisen-Karbid) aus, wodurch die gefährlichen Gitterspannungen gemindert werden. Der tetragonale Martensit wandelt sich in den weniger verspannten kubischen Martensit um und das Volumen wird geringer. Die Härteabnahme ist gering, aber das Beseitigen der „Glashärte“ macht den Stahl erst verwendbar. Diese Anlasstemperatur wird noch nicht als Vergüten bezeichnet.
  • Anlassstufe 2: Bei Temperaturen von 200-350°C wird die Beweglichkeit der Kohlenstoffatome so groß, dass sich Fe3C in feinstverteilter Form ausscheidet. Der kubische Martensit wird weiter entspannt, d.h. Zugfestigkeit und Härte fallen merklich, die Streckgrenze kaum.

Die feinen Karbide verhindern wirkungsvoll die Versetzungsbewegung, d.h. sie behindern das Abgleiten. In dem bei höher gekohlten Stählen stets vorhandenen Restaustenit scheiden sich ebenfalls Karbide aus.

  • Anlassstufe 3: Bei Temperaturen oberhalb von 350°C bis Ac1 koagulieren (= zusammenwachsen) die Karbide zu vergrößern im Lichtmikroskop sichtbaren Partikeln, die Zugfestigkeit nimmt weiter ab, die Verformbarkeit, insbesondere die Kerbschlagzähigkeit nimmt zu.

--Anthony