Bundesverkehrswegeplan

30 Jahre Autobahnplanung ohne neue Ideen?
Kartenausschnitt BMV-St B 10-NK 76/1, Stand: 01.01.1976.
Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) ist der Ausgangspunkt im Planungsablauf für den Bau einer Autobahn.

Seit Mitte der siebziger Jahre legt der Bund diesen "verkehrsträgerübergreifenden Infrastrukturplan" vor. Er legt die Dringlichkeit von Projekten fest, berücksichtigt die zur Verfügung stehenden Mittel und setzt damit Prioritäten für Investitionsentscheidungen der öffentlichen Hand, z. B. den Bau von Autobahnen.

Allerdings bedeutet die Aufnahme eines Projekts in den Bundesverkehrswegeplan nur, dass es gebaut werden kann, nicht, dass es gebaut werden muss.

Der vorige BVWP 2003 plante bis ins Jahr 2015. Mit dem "Investitionsrahmenplan" (IRP) wird die Grobplanung des BVWP als Fünfjahresplan konkretisiert, z. Zt. gilt der IRP 2006 - 2010. Der aktuelle BVWP 2030 aus dem Jahr 2016 plant bis 2030.

BVWP 2003: Der Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen

Teil des Bundesverkehrswegeplanes ist der Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen. Er stellt den Bedarf fest für:

  • die Erweiterung von Bundesautobahnen
  • den Neubau von Bundesautobahnen
  • Neubau und Erweiterung von Bundesstraßen einschließlich dem Bau von Ortsumgehungen

Die vorgenommene Feststellung des Bedarfs ist die Grundlage für den Neu- und Ausbau von Bundesfernstraßen. Sie ist verbindlich für die Linienbestimmung und die Planfeststellung.

Der Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ist zwei Dringlichkeitsstufen eingeteilt:

  • Vordringlicher Bedarf (VU = Überhang bzw. VN = Neue Vorhaben)
    Für diese Maßnahmen besteht für die Straßenbauverwaltung ein uneingeschränkter Planungsauftrag: Linienfestlegung, Detailplanung, Planfeststellung und Bauvorbereitung können eingeleitet oder weitergeführt werden.
  • Weiterer Bedarf (WB)
    Für Maßnahmen des "Weiteren Bedarfs" kann die Projektplanung in begründeten Ausnahmefällen mit Zustimmung des Bundesverkehrsministeriums aufgenommen oder weiter betrieben werden.

Im Jahr 2010 fand eine Überprüfung des Bedarfsplans statt.

Ausbau der A 39 (Stand BVWP 2003)

Mit weiteren Überprüfungen im Rahmen der Fortschreibung des Bedarfsplanes für die Bundesfernstraßen und Abstimmungen auf Ministerebene mit den Ländern Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen wurde letztlich die sogenannte "Hosenträgervariante", entwickelt. Sie besteht aus den folgenden Elementen:

  • A14 Magdeburg – Wittenberge – Schwerin
  • A39 Lüneburg – Wolfsburg
  • B190n als Verbindung der A14 und A39

Der Bundestag hat die "Hosenträgervariante" mit der Verabschiedung des 5. Fernstraßenausbauänderungsgesetzes vom 4. Oktober 2004 in den "Vordringlichen Bedarf" des Bedarfsplans für die Bundesfernstraßen aufgenommen. [1]

Die Planung der A39 bleibt im Investitionsrahmenplan bis 2010 weitestgehend unberücksichtigt: Das umstrittene Teilstück von Wolfsburg nach Lüneburg fehlt gänzlich, eine Finanzierung der A39 ist damit bis zur IRP-Neuauflage im Jahr 2011 offen.

BVWP 2030

Der Referentenentwurf des BVWP 2030 mit seiner Übersicht seiner Straßenbau-Vorhaben von 2016 wurde nach einer Öffentlichkeitsbeteiligung trotz zahlreicher gut argumentierter Einwände praktisch unverändert als BVWP 2030 verabschiedet.

Beispiele:

Leitfaden des BUND für Stellungnahmen

Gutachten RegioConsult im Auftrag der Grünen

Stellungnahme Volker Constien (BI Lüne-Moorfeld)

Die Verabschiedung des Bundesverkehrswegeplans erfolgte 2016, also nach dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2015.

2021 musste die Bundesregierung (Große Koalition unter Angela Merkel) ihr Klimaschutzgesetz nach dem Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 24.03.2021 nachbessern.

Für die Bundesverkehrswegeplanung gilt weiterhin, dass alle 5 Jahre eine Bedarfsplanüberprüfung stattfindet, also 2021, sie wurde aber (vermutlich wegen der Bundestagswahl am 26.09.2021) verschoben. Die nach der Bundestagswahl gebildete Ampel-Koalition formulierte in ihrem Koalitionsvertrag (Seite 48):

„Wir streben einen neuen Infrastrukturkonsens bei den Bundesverkehrswegen an. Dazu werden wir parallel zur laufenden Bedarfsplanüberprüfung einen Dialogprozess mit Verkehrs-, Umwelt-, Wirtschafts- und Verbraucherschutzverbänden starten mit dem Ziel einer Verständigung über die Prioritäten bei der Umsetzung des geltenden Bundesverkehrswegeplan. Bis zur Bedarfsplanüberprüfung gibt es eine gemeinsame Abstimmung über die laufenden Projekte. Wir werden auf Basis neuer Kriterien einen neuen Bundesverkehrswege- und -mobilitätsplan 2040 auf den Weg bringen.“

Am 28.08.08.2021 forderte das Bündnis Verkehrsinitiativen ein sofortiges Moratorium für den Neubau und Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen

Am 07.10.2021 wurde ein vom BUND beauftragtes Rechtsgutachten veröffentlicht, nach dem der BVWP weder den EU-Vorgaben der Strategischen Umweltprüfung noch den Zielen des Pariser Klimaabkommens noch dem Artikel 20a des Grundgesetzes genügt (das Klimaschutzgesetz gab es ja bei der Verabschiedung des BVWP noch nicht).

Am 11.01.2022 forderte das Umweltbundesamt die Bundesverkehrswegeplanung umwelt- und klimafreundlich zu gestalten.

2022 startete dann im Bundesverkehrsministerium die Bedarfsplanüberprüfung (intransparent). Für den geplanten Dialogprozess erhoben Naturschutzverbände vorab Forderungen. Am 02.12.2022 erfolgte die Auftaktveranstaltung mit einem Vortrag eines Vertreters des Bundesverkehrsministeriums, der darüber informierte, dass nicht entsprechend dem Koalitionsvertrag (siehe oben) über den BVWP 2030, sondern über den daran anschließenden Plan bis 2040 gesprochen werden sollte. Verständlicherweise waren die teilnehmenden Verbände darüber entsetzt.

Bei Green Legal gibt es Dokumente-Downloads u.a. mit einer Stellungnahme vom Juli 2022, dem Forderungspapier vom 02.11.2022 (gemeinsam mit BUND, Deutscher Naturschutzring, Deutsche Umwelthilfe, Greenpeace, NABU, und VCD) und dem Offenen Brief zum Dialogprozess an den Bundesverkehrsminister vom 15.12.2022 (Allianz pro Schiene, Bundesverband Carsharing, Bündnis Verkehrsintitiativen, Deutscher Naturschutzring, Die Güterbahnen, NABU, Parents For Future, VCD, Zukunft Fahrrad)

NABU, BUND und VCD haben ähnliche Seiten mit teilweise denselben Dokument-Downloads online gestellt.

Am 03.02.2023 veröffentlichte der VCD eine Presseerklärung zum BVWP und verweist darin auf seinen Entwurf für ein Bundesmobilitätsgesetz.

Am 26.02.2023 veröffentlichte die Denkfabrik "Agora Verkehrswende" Analysen zum BVWP und Reformvorschläge für die laufende Bedarfsplanüberprüfung. Wünschenswert wäre, wenn diese durch das Bundesverkehrsministerium berücksichtigt würden statt weiter ohne ausreichende Berücksichtigung der EU-Vorgaben zur Strategischen Umweltprüfung und des Klimaschutzgesetzes zu arbeiten.

Ende März 2023 hat der Koalitionsausschuss der Ampel-Bundesregierung eine Woche nach der letzten Warnung des Weltklimarates geplant, das Klimaschutzgesetz abzuschwächen und für bestimmte Autobahnprojekte beschleunigte Planung zu Lasten von Umwelt- und Artenschutz zu ermöglichen.

Am 8. November 2023 veröffentlichte Transport & Environment ein Gutachten, wonach das Bundesverkehrsministerium die Klimaschädlichkeit von Straßenbau ungefähr um den Faktor 7 unterschätzt.

Im Januar 2024 verdeutlichte das Bundesumweltamt in seiner Publikation "Kipppunkte und kaskadische Kippdynamiken im Klimasystem" die dramatischen Auswirkungen des fortschreitenden Klimawandels.

Am 18. März 2024 wiederholte der BUND seine Forderung nach einem Umdenken in der Verkehrspolitik.



Ein weiteres aktuelles, wesentlich stärker in der Presse thematisiertes Thema ist der aktuelle Streit in der Ampel-Koalition um Planungsbeschleunigung für Autobahn-Neu- und -Ausbau, dazu gibt es Beiträge unter Presse_überregional_2022-2023.


Nach dem Versagen des Bundesverkehrsministeriums bezüglich der Emissions-Reduktionsziele und dem diesbezüglichen Gerichtsurteil spielt Bundesverkehrsminister Wissing nun auf Zeit und hofft durch eine Revision und Aufweichung der Sektorenverantwortung im Klimaschutzgesetz um wirksame Sofortmaßnahmen herumzukommen. Ihn nun aus der Verantwortung zu nehmen würde die notwendige Verkehrswende weiter verzögern, genau wie jeder weitere Aus- und Neubau von Bundesfernstraßen, der auch dann falsche Anreize setzt, wenn man ihn "Engpassbeseitigung" nennt.

Mit der Planungsbeschleunigung und dem damit gesetzlich festgeschriebenen "überragenden öffentlichen Interesse" bringt man unausgewogene Abwägungen zulasten von Natur-, Arten- und Klimaschutz in die Planungsverfahren. Die Abwägungen sollten stattdessen gerecht erfolgen und berücksichtigen, dass die natürlichen Ressourcen immer knapper und damit wertvoller werden. Bereits bei den LNG-Terminals hat sich gezeigt, dass durch das gesetzlich festgeschriebene "überragende öffentliche Interesse" weit über den realen Bedarf hinaus geplant und gebaut wird. Zur Planungsbeschleunigung haben mehrere Verbände (u.a. VCD, BUND, DUH) Vorschläge erarbeitet, die die nicht auf Kosten der Natur gehen.


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Zuletzt geändert am 25. März 2024 um 22:14